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Karin Gambaracci

Martin Luther King Jr. in Berlin

13. September 1964. Die Marienkirche in Ost-Berlin, die in der neuen Ära des kommunistischen Berlins fast immer halbleer war, war an diesem Tag so voll, dass die Anwesenden kaum atmen konnten. Doch eine offizielle Ankündigung gab es nicht. Keine Zeitung, kein Rundfunksender der Deutschen Demokratischen Republik hatte über die bevorstehende Demonstration kommuniziert. Nur die Kirche selbst hatte einen Aushang am schwarzen Brett angebracht: "Ökumenischer Gottesdienst mit Reverend Martin Luther King Jr. als Gastredner".



Auch hier, hinter der grauen Berliner Mauer, war Martin Luther King eine Legende. Nur zwei Monate zuvor war die Rassentrennung dank seiner Vision, seines Mutes und seiner Beharrlichkeit im Kampf für die Rechte der Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten endlich abgeschafft worden. "Ich habe einen Traum" ... Der Traum begann sich zu erfüllen.


Die Nachricht von seiner Ankunft in Ost-Berlin verbreitete sich wie ein Lauffeuer, so stark und verzweifelt war das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach einem Mann, der ihr Hoffnung geben würde, an dem sie sich festhalten konnte. Denn eine der tragischsten Folgen des Mauerbaus war genau das, die Zerstörung der Hoffnung. Liest man die Dokumente von damals, so findet man immer wieder die gleichen Passagen. Einige waren wütend und versuchten zu fliehen, oft um den Preis ihres Lebens. Aber viele, viele waren so verzweifelt, dass sie in eine schwere Depression fielen.



“My dear Christian friends in East-Berlin” … "Hier in Berlin gibt es Kinder Gottes auf beiden Seiten der Mauer, und keine von Menschenhand errichtete Grenze wird das jemals auslöschen. Wir können gemeinsam arbeiten, gemeinsam beten, gemeinsam nach Freiheit streben. In der Gewissheit, dass wir eines Tages endlich frei sein werden...".


Am Ende der Demonstration, die dann in der Sophienkirche wiederholt wurde (damit auch alle, die draußen warten mussten, die Worte des Pfarrers hören konnten), standen Tausende von Menschen stundenlang in der Schlange, um ihn zu umarmen und zu danken.



Zwei Monate später wurde Martin Luther King mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Vier Jahre später wurde er ermordet. In Berlin trauerten abertausende von Menschen um diesen großen Mann. Ein Mann, der es geschafft hatte, den Berlinern den Traum zu geben, den sie am meisten brauchten: Die Hoffnung.


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